Von Sebastian Christ
SPD-Parteichef Kurt Beck hat sich am Ende des Parteitags bei den Sicherheitskräften bedankt. Vermutlich wäre ihnen Bares lieber gewesen. Die Wachmänner malochen in Doppelschichten - und ihr Verdienst ist weit weg von Münteferings Mindestlohn-Forderung "siebenfuffzig für alle".
Franz Müntefering sagt: "Mindestlohn ist keine sozialromantische Idee, sondern eine ordnungspolitische Grundlage."
Kurt Beck sagt: "Der Mindestlohn ist eine Grundweichenstellung für unsere Gesellschaft. Wir wollen, dass jemand, der jeden Tag vollschichtig arbeitet, von dieser Arbeit auch leben kann."
Hundert Meter vom Tagungssaal entfernt sind die Worte durch noch dumpfe Echos, und außerdem ist es ziemlich kalt hier. Es ist sechs Uhr abends. Der berühmte kleine Mann, um den es auf dem SPD-Parteitag immer wieder geht, er steht heute auf einem Vordach des Congress Centrums Hamburg (CCH) und passt auf, dass keine Störenfriede herein kommen können. Eigentlich ist er gar nicht so klein, er hat ziemlich dicke Arme und Riesenhände, mit denen er ordentlich zupacken kann. Er arbeitet als Wachmann und stand hier, als die NPD am Freitag einige Meter weiter aufmarschierte, und auch, als linke Gegendemonstranten auf das CCH-Gelände zu kommen versuchten.
Seinen Namen will er nicht nennen, "ich bin doch nicht blöd", sagt er. Er ist Ende vierzig, geschieden. Ob er schon einmal was vom Mindestlohn gehört hat? "Klar, der Müntefering", sagt er. Und ob er ihn auch bekommt? "Nee, ich bekomme nicht ganz die 7,50 Euro", grinst er sarkastisch, "nicht einmal annähernd". Knapp sechs Euro sind es, während des Parteitags arbeitet er bis zu 16 Stunden am Stück. So bleiben ihm nach einer lupenreinen Doppelschicht noch nicht einmal 100 Euro brutto - minus Steuern, Abgaben und Fahrtkosten.
"Ich habe einen Kollegen, der zu seinen Eltern zurück ziehen musste", sagt er. "Man verdient eben mitunter nur 700 Euro, vor allem im Osten. Da muss man sich entscheiden: Auto oder Wohnung. Tja, und auf dem Land braucht man das Auto eben, um zur Arbeit zu kommen. Und überhaupt: Wenn man eine Reparatur hat, da muss man jemanden haben, der es unter der Hand macht. So ist es eben." Er hofft, dass der Mindestlohn irgendwann beschlossen wird. "Aber ich fürchte, sie können sich wieder mal nicht einigen. Wenn nicht hier, dann spätestens im Bundestag."
Weit weg von "siebenfiffzig für alle"
Von unten dröhnen Stimmen aufs Vordach. Der Parteitag diskutiert über die Sozialpolitik. Engagierte Stimmen, Applaus. "Irgendwo haben die mal gebracht, was ein Politiker so bekommt, auch wenn er nur zuhört und klatscht. Der bekommt teilweise im Monat fast das, was ich im Jahr bekomme." Ein SPD-Sprecher bestätigte stern.de, dass der Auftrag für den Sicherheitsdienst von der Partei kam, mit der schriftlich fixierten Auflage, dass die Angestellten nach Tarif bezahlt werden müssen. Doch was Gewerkschaften im Wach- und Sicherheitsgewerbe aushandeln, entspricht so gar nicht Franz Münteferings Wunschziel von "Siebenfuffzig für alle".
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag Ende letzten Jahres der durchschnittliche Tariflohn für Sicherheitsleute bei 5,78 Euro (West) und 4,38 Euro (Ost). Der Firma Magnum Security, die auf dem Parteitag den Sicherheitsdienst übernahm, ist deshalb noch nicht einmal ein Vorwurf zu machen - mit knapp sechs Euro nach Angaben der Mitarbeiter zahlt sie ein rechtlich einwandfreies Tarifgehalt.
200 Euro zum Leben - trotz Vollzeitjob
Nun ist es nicht so, dass die SPD kaum in der Lage wäre, die Differenz zwischen Tariflohn und angepeilten Mindestlohn aus eigener Tasche zu bezahlen. Ganz im Gegenteil, der Partei geht es finanziell richtig gut. Mit Inge Wettig-Danielmeier verabschiedete sich am Wochenende eine äußerst erfolgreiche Schatzmeisterin. Im ersten Stock des CCH lag eine Broschüre aus. Es war der Geschäftsbericht der parteieigenen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDGV). Allein dieses Unternehmen erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2006 einen Jahresüberschuss von 26,8 Millionen Euro.
"Früher habe ich mal SPD gewählt, aber seitdem es immer weiter bergab geht, wähle ich anders", sagt der Wachmann. Es gibt Monate, da bleiben ihm trotz Vollzeitjob kaum mehr als 200 Euro zum Leben. Aber irgendwie geht es ja immer weiter, sagt er. Kurt Beck hat den Sicherheitskräften am Ende des Parteitages übrigens explizit für ihre Arbeit gedankt. Kaufen können sie sich davon freilich nichts.
http://www.stern.de/politik/de…curity-6-Euro/601132.html
Als Information. Gruß Pete