
DB Sicherheit: „Es gibt einem ein gutes Gefühl, wenn die beiden hier sind“
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QuoteDisplay MoreZehn bis zwölf Kilometer, sagt Sulaymann Aruna. "So viel laufen wir jeden Tag." Zusammen mit Partner Stefan Henze ist er am Mannheimer Hauptbahnhof unterwegs, von sechs bis 15 Uhr oder von 15 Uhr bis Mitternacht. Die beiden tragen gelbe Signalwesten, auf denen "DB Sicherheit" steht. "Damit sieht uns unsere Klientel schon von weitem", so Aruna. "Oft müssen wir dann gar nichts mehr machen." Neulich habe er auf dem Weg zum Dienst einen Bettler aufgefordert, das Bahnhofsgebäude zu verlassen. "Da hat er mich entgeistert angeschaut und gefragt: ,Wo ist denn deine Weste?'"
Bettler und Obdachlose gefährden die Sicherheit der Reisenden zwar nur bedingt. Dennoch macht die Bahn von ihrem Hausrecht Gebrauch, um ihren Kunden Ängste zu nehmen. Obwohl sie die gar nicht haben müssten, wie der Konzern nicht müde wird zu erklären: Erstens passiere an Bahnhöfen und in Zügen generell weniger als im übrigen öffentlichen Raum, zweitens sei die Zahl der Körperverletzungen vergangenes Jahr um acht Prozent gesunken. Doch die Wahrnehmung vieler Menschen ist eine andere.
Nur Selbstverteidigung erlaubt
Hier kommen Aruna und Henze ins Spiel. Auf Gleis 2 steigen sie in die S-Bahn. Ihre Smartphones melden das automatisch dem Zugpersonal. "Jetzt wissen die: Die Sicherheit ist mit an Bord", lacht Aruna. Im Gang sitzt Nils Klingelhöfer. "Ich fahre oft mit der Bahn", erzählt er. Schlägereien oder Pöbeleien habe er selbst zwar noch nie erlebt. Aber die zugestiegene Security ist ihm angenehm: "Es gibt einem schon ein gutes Gefühl, wenn die beiden hier sind."
Viel zu tun hätten sie in Zügen meistens nicht, sagt Henze. "Wenn jemand die Füße auf dem Sitz liegen hat, bitten wir ihn, die runterzunehmen". Bei Fußballfans, die unter sich seien, schaue man nicht ganz so streng hin, so Aruna. "Die haben dann halt ihren Spaß." Von welchem Verein sind die Fans denn am schlimmsten? Der Sicherheitsmann lächelt diplomatisch. Große Schwierigkeiten hätten sie jedenfalls mit keinen: "Bei Problemfans sind ja auch immer Bundespolizisten an Bord." An die Beamten wenden sich die Bahn-Mitarbeiter, wenn es gefährlich wird. Sie haben nur Jedermannsrechte: Selbstverteidigung und bei Straftaten Verdächtige zur Personalien-Aufnahme festhalten.
Die Handschellen, die sie am Gürtel tragen, hat Aruna aber noch nie gebraucht. Henze einmal, bei einem Randalierer in Heidelberg. Am dortigen Bahnhof mussten sie auch zum einzigen Mal Abwehrspray und ausziehbaren Einsatzstock zücken. "Als wir in eine Schlägerei zwischen Rumänen geraten sind", erzählt Henze. Die Drohung mit Spray und Stock habe genügt.
"Auch wenn man das noch so oft trainiert hat: Da geht einem der Puls", sagt Aruna, der in seiner Freizeit ins Fitnessstudio geht und Kampfsport macht. Seit 19 Jahren ist er im Security-Geschäft. Hat sich etwas verändert? "Jugendliche sind heute frecher", antwortet er nach längerem Überlegen. "Sie haben auch weniger Skrupel, eine Schlägerei anzufangen." Besonders schlimm sei es an Wochenenden am Heidelberger Hauptbahnhof.
Bei ihren Fortbildungen alle drei Monate würden sie vor allem in Deeskalation geschult, berichten die beiden. "Wichtig ist, dass die Leute erstmal Dampf ablassen", so Aruna. Dafür habe man sich auch ein dickes Fell zugelegt, ergänzt Henze. "Wir werden provoziert, beleidigt, angespuckt. Das macht mir nichts aus." Dafür habe ihr Beruf auch viele schöne Momente. "Etwa, wenn sich Menschen nett dafür bedanken, dass wir ihnen geholfen haben."
Denn aus Sicht der Reisenden sind die Männer vor allem Helfer. "Auf welches Gleis muss ich, wann geht mein Zug - wir werden ständig was gefragt", sagt Henze. "Von mir wollte sogar schon jemand wissen, wo in Mannheim der Puff ist."
Auf ihren Smartphones haben sie Zugriff auf alle Fahrpläne wie auf das interne Verspätungssystem. Sogar Traubenzucker trägt Aruna am Gürtel, weil er mal einem Unterzuckerten helfen musste. Und ihre lustigsten Erlebnisse? "Ein Asiate hat gefragt, wo in Mannheim das Hofbräuhaus ist. Er hat es mit München verwechselt, weil er nur den ersten Buchstaben lesen konnte", berichtet Henze. Aruna erinnert sich an einen Angetrunkenen, der in der Quadratestadt aus dem Zug sprang und rief: "Die haben Frankfurt umgebaut!"
Zwei Studenten aus Indien
An diesem Tag ist nicht viel los. Zurück in Mannheim, haben sie mit zwei indischen Studenten zu tun. Ihre Verbindungen seien verschoben worden, in der Schalterhalle habe man ihnen nicht helfen können, erzählen Manish Reddy und Phani Giddaluri. Jetzt stehen sie mit ihren Koffern am Eingang und suchen auf Schildern nach einer Mitreisegelegenheit. Die Männer von der "DB Sicherheit" bitten sie, sich nach draußen zu stellen. Sie zeigen Verständnis. Henze und Aruna seien "nett" zu ihnen - "im Gegensatz zu dem Bahn-Manager vorhin".
Noch eine Runde durch Treppenhäuser und Unterführungen, dann haben Henze und Aruna Feierabend. Vor lauter Reden sind sie weniger gelaufen als sonst. Aber morgen dürfen es wieder bis zu zwölf Kilometer sein. "Uns macht das nichts aus", sagen sie. Man glaubt es ihnen.
© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 07.12.2016
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